Florian Guckelsberger |||

Auf der Spur der Drohnen

Der Drohnenkrieg um Bergkarabach hat Soldaten und Zivilisten traumatisiert zurückgelassen — und wurde mit Hilfe deutscher Technologie geführt. Eine Recherche im Kaukasus.

Der Tod, so erzählen es die Nachbarn, kam an einem Fallschirm vom Himmel. Nachts sei es geschehen, vielleicht verschlief Pargev S. also den Moment, in dem eine Bombe die Wände seines Hauses zu Staub zerrieb und das Dach auf ihn stürzen ließ. Ganz so, als halte er sich an den Resten seines Lebens fest, war seine Leiche später nur mit Hilfe eines Traktors aus den Trümmern zu ziehen.

Wochen später, an einem Vormittag im November, ringt die Herbstsonne mit dem Frost der Nacht und zeichnet tiefe Schatten auf die Ruine des Hauses. Artak Sargsyan schaut auf den Schutthaufen, die zersplitterten Holzbalken, die Reste eines Klaviers und Kleidungsstücke, Farbkleckse im Meer zermahlenen Betons. Sargsyan sagt, in dem Flugzeug, das die Bombe auf das Haus seines Nachbarn warf, saß kein Pilot. Er blickt auf die Trümmer wie auf eine Welt, die er nicht mehr versteht.

Am 9. November 2020 endet der bewaffnete Kampf Armeniens und Aserbaidschans um die Region Bergkarabach vorerst. Ein von Russland vermittelter Waffenstillstand friert den Frontverlauf nach 44 Tagen heftiger Kämpfe ein. Zu diesem Zeitpunkt hat die aserbaidschanische Armee auch mit Hilfe moderner Waffensysteme bereits größere Teile Bergkarabachs zurückerobert. Am Ende verpflichtet sich Armenien dazu, mehrere Anfang der 1990er-Jahre eingenommene aserbaidschanische Distrikte zurückzugeben, um im Gegenzug armenisch besiedelte Kerngebiete vorerst behalten zu dürfen.

Artak Sargsyan lebt im Osten des weiter von Armenien besetzten Teil Bergkarabachs. In der Kleinstadt Martuni, die Aserbaidschaner Xocavənd nennen, arbeitet er als Schulleiter. Als Ende September die ersten Schüsse fallen, wird Sargsyan einberufen und muss an Front. Im Schützengraben ist der 39-Jährige für mehr als zwei Dutzend Männer verantwortlich und erinnert sich vor allem an die eigene Ohnmacht. Der Krieg war furchtbar”, erzählt er. Einmal schlug in meiner Nähe eine Rakete ein. Niemand wusste, wer den Tag überleben würde und wer nicht.” Nach den Gefechten vom Sommer 2016 ist es für Sargsyan bereits der zweite Kriegseinsatz. Doch dieses Mal ist alles anders.

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