Befeuert von Russlands Angriff auf die Ukraine stellen junge Kasachen das sowjetische Erbe ihrer Heimat auf den Prüfstand.
Im Äuesow-Dramatheater in der kasachischen Metropole Almaty ist an diesem Freitagabend auch der Oberrang gut gefüllt. Es sind vor allem junge Menschen, die das Geschehen auf der Bühne verfolgen und mit ihren Smartphones filmen. Aufgeführt wird Quyın, Wirbelwind. Es ist stürmisches Theater, das die russisch-kasachische Vergangenheit über drei Stunden als Geschichte der Kolonialisierung neu verhandelt.
Tschaikowskis Schwanenthema und die Bässe einer Putin-kritischen Elektroformation aus Russland bilden den musikalischen Rahmen. Russland, das Imperium, ist hier eine übergewichtige Königin die lachend über verhungernde Steppenbewohner stolpert. Die Kasachen sind Prügelknaben, dürre und verängstigte Gestalten. Doch sie emanzipieren sich, stellen sich dem Imperium entgegen. Das junge Publikum applaudiert stehend. So ein Stück, flüstert mir meine Sitznachbarin zu, hat es in Kasachstan noch nie gegeben.
Kasachstan, das wirtschaftlich bedeutendste Land Zentralasiens, diskutiert wieder einmal über sein Verhältnis zum großen Nachbarn Russland. In Almaty, dem kulturellen Zentrum des Landes, lebt Zarina Mukhanova. Die Anthropologin forscht zu Dekolonialisierung und ist wie auch das Ensemble am Äuesow-Dramatheater Teil einer Bewegung, die das Erbe der Sowjetzeit selbstbewusst auf den Prüfstand stellt — und als Geschichte der Kolonialisierung neu erzählt.
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